Staatsphilosophie bei Niccolò Machiavelli

In diesem Beitrag geht’s um Staatsphilosophie bei Machiavelli. Inwiefern markiert dieser Denker den Umbruch vom Mittelalter in die Neuzeit? Staatsphilosophie umfasst die Entstehung, Ausformung und Zielsetzung von Staatsmodellen. Damit ist sie Teil der praktischen, genauer: der politischen Philosophie. Auch wenn die abendländische Staatsphilosophie ihre Anfänge in der Antike hat, springen wir direkt an das Ende des Mittelalters um das Jahr 1500. Im Folgenden fragen wir uns: Wer war Machiavelli und warum genießt er heute so einen schlechten Ruf?

Hinweis: Auf YouTube ist dieser Beitrag als Video verfügbar.

Natürlich hat Machiavelli nicht das Mittelalter willentlich beendet. Weder im Alleingang noch im Bewusstsein dieses Vorgangs. Jeder Mensch ist ein Kind der eigenen Zeit und hat keine Ahnung, wie die selbst erlebte Epoche später mal historisch eingeordnet wird. Niccolò Machiavelli lebte von 1469 bis 1527 in Florenz. Nun ging von dort, Norditalien, in eben dieser Zeit die große Wiederentdeckung antiker Werke aus. Eine Kulturepoche, die später als »Renaissance« ihren Einzug in die Geschichtsbücher fand. Dass die Schriften der Antike dabei zuweilen missverstanden wurden, von den Köpfen dieser Kulturepoche, haben wir im Beitrag über die platonischen Ideen bereits besprochen.

Platon war’s übrigens, der mit der Politeia eine der ersten Staatstheorien schuf. Doch Machiavelli hat sich, im Zuge besagter Renaissance, nicht einfach an eine Neuauflage von Platons Staat gemacht.

Machiavelli und der liebe Gott

Mit dem Staatsdenken des Mittelalters brach Machiavelli regelrecht. Der mittelalterliche Philosoph Thomas von Aquin etwa, den wir im Beitrag über Gottesbeweise kennengelernt haben, verband seine Vorstellung vom optimalen Staat noch mit dem Streben nach Tugendhaftigkeit jedes Mitglieds dieses Staats. Ein solches politisches Denken war normativ, nach dem Motto: »Dies sei die Norm. So soll’s sein.«

Machiavelli hingegen unternahm vielmehr eine eiskalte Bestandsaufnahme von Staatsmodellen seiner Zeit. Er hat deskriptiv gesagt, also beschrieben: »So ist es.« Ob’s gefällt oder nicht. Der Religion hat er dabei einen niedrigen Stellenwert beigemessen. Ein berühmtes Zitat von Machiavelli lautet etwa:

Die Meinung, daß Gott für uns streitet, wenn wir müßig auf unseren Knien liegen, hat viele Throne und Staaten gestürzt… Niemand zeige sich so arm an Verstand, daß er bei seines Hauses Einsturz glaube, Gott werde ihn retten […].

Machiavelli, in: Mensch und Staat

Diese Position bringt gut auf den Punkt, inwiefern Machiavelli die Wende vom Mittelalter in die Neuzeit markiert.

Machiavellis und Der Fürst | PDF

Machiavellis Werke Il Principe (Der Fürst) und die Discorsi stellen die ersten Schriften moderner Staatsphilosophie dar. Beide sind erst nach seinem Tode ums Jahr 1530 erschienen. Aus unserer Sicht wirken sie weniger modern als eher martialisch. Heute ist der »Machiavellismus«, der sich von besagten Schriften ableitet, negativ konnotiert, als ein politischer Realismus, der Machtgebrauch über Moral erhebt. »Der Zweck heiligt die Mittel«, so lautet ein weiteres Zitat, das auf Machiavelli zurückgeht. Er gilt als Gründervater der Idee des Machtstaats.

Tipp: Reclam stellt einen Auszug aus Machiavellis Der Fürst als PDF bereit. Via getAbstract gibt’s eine Zusammenfassung von Der Fürst.

Was in dieser Rezeption oft übersehen wird, ist eine doch modern anmutende Pointe von Der Fürst / Il Principe. Und zwar empfiehlt Machiavelli dem Fürsten am Ende, die Alleinherrschaft in eine republikanische Ordnung zu überführen. Nur diejenigen Gemeinwesen seien langfristig stabil, in denen die Bürger*innen aktiv beteiligt würden.

So kommt es, dass Hannah Arendt den Staatsphilosophen Machiavelli, dessen Fürst immerhin für Jahrhunderte auf dem Index verbotener Bücher stand, vollmundig als Referenz nennt. Und zwar in ihrem handlungstheoretischen Hauptwerk Vita activa oder Vom tätigen Leben. Dazu blendet Arendt jedoch einiges aus, sodass der Kerngedanke Machiavellis auf der Strecke bleibt: die »Beherrschbarkeit der Geschichte durch Erkenntnis ihrer Gesetzmäßigkeit.« (Eine solche Gesetzmäßigkeit der Geschichte bestreitet Arendt, darauf weist auch Grit Straßenberger in ihrer Einführung zu der Philosophin hin – ein lesenswertes Buch, nicht nur bezüglich Arendts Auseinandersetzung mit Machiavelli.)

Hiermit endet vorerst unsere Auseinandersetzung mit Machiavelli und dem Mittelalter. Als nächstes werden wir uns der Neuzeit widmen. Angefangen mit einem Denker, dessen Meditationen in der Philosophie für einigen Wirbel gesorgt haben. Alles Weitere in der Beitragsreihe zum Leib-Seele-Problem.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.