Was sind Zeichen?

Heute kurz und bündig, die Beantwortung der häufigsten Fragen rund um ein spannendes Phänomen: Zeichen. Sie begleiten uns durch die Menschheitsgeschichte und durch den Alltag. Aber was sind Zeichen?

Zeichen sind etwas, das auf etwas anderes verweist. Das heißt: Ein Zeichen hat einen Bezug zu einem Objekt, auf das es hindeutet, und somit eine Bedeutung, die wir als Menschen verstehen können. Die Wissenschaft, die sich mit Zeichen befasst, nennt sich Semiotik.

Eine Wissenschaft wie Semiotik wäre nicht nötig, wenn Zeichen tatsächlich etwas wären, das sich – einfach erklärt – in zwei Sätzen beschreiben lässt. Stattdessen ist die Vielschichtigkeit von Zeichen allgemein und im Einzelnen so gewaltig, dass sich eine nähere Betrachtung anbieten.

Dieser Beitrag dient dazu, einen kurzen Überblick über die wohl bekannteste, aber nicht immer ganz klare Einteilung von Zeichen in Ikon, Index und Symbol zu geben. Vorweg, zur Einstimmung auf die Vielfalt dessen, womit wir uns hier befassen:

Beispiele für Zeichen sind etwa ABC (Schriftzeichen), Gesten und Gebärden (nonverbale Sprachzeichen), Akzente und Dialekte (deuten auf Herkunft hin), Spuren im Sand (Anzeichen für Menschen oder Tiere), Erröten (für Schamhaftigkeit) oder Tränen (für Freude bzw. Trauer).

Oh, und wenn du meinen YouTube-Kanal abonnieren, meinem Podcast lauschen oder mich via Patreon unterstützen möchtest, dann würde ich das natürlich auch als eine Art Zeichen deuten. Vielleicht dafür, dass heute noch ein richtig guter Tag wird.

Was sind Zeichenarten?

Bestimmungen von Zeichenarten sind eine Möglichkeit, die Vielzahl von Zeichen aller Art zu bändigen und Zeichen nach bestimmten Merkmalen einzuteilen. Weil solche Versuche seit langem unternommen werden, ist die genaue Anzahl und Gültigkeit von Zeichenarten selbst sehr umstritten.

Aus diesem Grund versteht sich im Folgenden jeder einzelne Absatz als Vereinfachung einer Sache, die in Wahrheit so komplex ist, dass selbst dicke Bücher dem Thema nie ganz gerecht werden.

Beim Weiterlesen also bitte im Hinterkopf behalten: Jede Aussage ließe sich kritisieren, relativieren oder grundlegend bestreiten. Der Mangel an Eindeutigkeit und Klarheit ist der wunderbar wirren Wirklichkeit geschuldet, in der wir leben dürfen.

Hinsichtlich der Mehr- und Vieldeutigkeit von Zeichen bedarf es unsererseits also einer gewissen Ambiguitätstoleranz. Heißt: Das Ertragen-Können, wenn etwas nicht eindeutig ist. Ganz kurz: Warum ist Ambiguitätstoleranz wichtig?

Ambiguitätstoleranz ist wichtig, weil unser gesellschaftliches Leben sehr komplex, also vielschichtig ist. Zu jedem Aspekt des Lebens gibt es eine große Zahl unterschiedlicher Ansichten, Bedeutungen, Erklärungen und Meinungen. Einigkeit hingegen herrscht nur in Systemen, die Vielfalt unterdrücken.

Insbesondere eine Demokratie lebt von Ambiguitätstoleranz als der Fähigkeit, diese allgegenwärtige Mehrdeutigkeit und Uneinigkeit zu ertragen. So, jetzt aber ran ans Thema!

Welche Arten von Zeichen gibt es?

Es gibt drei Arten von Zeichen: Ikon, Index und Symbol. Kurzgesagt ist ein Ikon seinem Objekt ähnlich, ein Index physisch mit seinem Objekt verbunden und ein Symbol ein Zeichen, das im willkürlichen Zusammenhang mit seinem Objekt steht.

Etwas detaillierter erklärt, ohne kompliziert zu werden:

Ikon, Index, Symbol einfach erklärt + Beispiele, Übungen

Was ist ein Ikon oder ikonisches Zeichen?

Ein Ikon hat Eigenschaften oder eine bestimmte Form, die an dasjenige Objekt denken lassen, auf das sich das ikonische Zeichen bezieht. Dieser Bezug stellt aber – das ist wichtig – nur eine Möglichkeit dar. Das heißt: Es muss gar kein konkretes Objekt geben, das mit dem Ikon gemeint ist.

Wenn ich einen Fisch mit einem markanten Muster zeichne, dann kann dieses Bildchen sich auf einen konkreten Fisch mit einem sehr ähnlichen Muster beziehen. Das Bild funktioniert aber auch als Ikon, wenn ich dabei an keinen bestimmten Fisch denke und sogar dann, wenn es gar keinen solchen Fisch gibt. Trotzdem kann das Bild als Zeichen für »ähnliche Fische« dienen, und somit als Ikon.

Zeichne ich stattdessen ein Pferd mit einem Horn auf dem Kopf, kann das als Ikon für Einhörner dienen – und zwar für jedwedes Einhorn, das uns über den Weg läuft oder durch unsere Träume galoppiert… (nicht durch meine).

Beispiele für Ikons bzw. ikonische Zeichen sind:

  • Fotografien und Gemälde
  • Höhlenmalereien oder Tierreliefs wie am Göbekli Tepe
  • Landkarten und Lagepläne
  • Lautmalende Ausdrücke wie »Kikeriki« oder »Miau«
  • Metaphern (»himmelblau«, »schlau wie ein Fuchs«)
  • Verkehrszeichen (wie das Straßenschild zur Fußgängerzone)
  • Wachsfiguren bei Madame Tussauds

Ein Zeichen ist ein Ikon, wenn es an ein Objekt denken lässt bzw. an etwas erinnert, unabhängig davon, ob das Objekt noch existiert oder je existiert hat. Die Ähnlichkeit kann visuell sein (ähnliches Aussehen) in einem Gleichklang bestehen (sich ähnlich anhören) oder anderer Art sein.

Was ist ein Index-Zeichen?

Ein Index hat einen direkten Bezug zu seinem bestimmten Objekt. Als indexikalisches Zeichen gelten zumeist solche, die eine physische, sinnliche wahrnehmbare Verbindung haben. Aber auch der Eigenname für eine fiktionale Figur (»Hermine Granger«) kann ein Index-Zeichen sein.

Wenn ich sage »der Kuchen gestern war lecker«, dann ist »Kuchen« in diesem Kontext kein Hinweis auf irgendeinen oder jedweden Kuchen. »Kuchen« in diesem konkreten Satz ist ein indexikalisches Zeichen, das auf genau dasjenige schmackhafte Gebäck hinweist, das ich am Vortrag verdrückt habe.

Beispiele für Index-Zeichen sind:

  • Demonstrativpronomen (»dieser«, »dieses«)
  • Finger, der auf etwas zeigt (»das da«)
  • Gerüche oder Gestank einer Sache
  • Qualm oder Rauch (Anzeichen für Feuer)
  • Regentropfen als Hinweis auf Regenwetter
  • Thermometer, das die Temperatur anzeigt
  • Wetterhahn, der sich im Wind dreht

Was ist ein Symbol?

Ein Symbol ist ein Zeichen, dessen Bedeutung durch Gewohnheit oder Vereinbarung zustande kommt. Das heißt: Eine Gemeinschaft von Menschen versteht die Bedeutung eines Symbols, weil es allgemein bekannt ist bzw. ihnen häufig begegnet (Gewohnheit), oder festgelegt bzw. verkündet wurde (Vereinbarung).

Wenn Mark Zuckerberg verkündet, dass das Unternehmen Facebook fortan Meta heiße, und ein neues Logo präsentiert (eine lustige blaue Schlaufe), dann steht dieses Logo ab sofort als Symbol für das Unternehmen Meta – kraft Vereinbarung.

Bei dem weißen f in der Schriftart Klavika wird auch weiterhin als Symbol für das soziale Netzwerk Facebook dienen – längst aus Gewohnheit. Das würde es sogar, wenn das Facebook nicht mehr existierte, wohl aber die Erinnerung daran. Erst wenn der letzte Mensch stürbe, den das weiße f an jenes Netzwerk erinnert, würde auch dieses f aufhören, ein Symbol für Facebook zu sein.

Ein Ikon-Charakter verliert nie seinen Ikon-Charakter. Selbst wenn nach Jahrtausenden eine Urne ausgegraben wird, können wir ein Zeichen darauf als Ikon deuten. Etwa, weil es offenbar (aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit) einen Vogel andeutet.

Vielleicht war damit ein bestimmter Vogel gemeint, dann würde es sich bei dem Zeichen um ein Symbol handeln. Wenn sich aber niemand daran erinnert, hat das Zeichen seinen Symbol-Charakter verloren.

Beispiele für Symbole:

  • Corporate Design und Logos aller Art
  • Religiöse Zeichen (Davidstern, Kreuz)
  • Währungszeichen (wie $ oder €)
  • Bestimmte Blumen als Symbol für Liebe, Trauer etc.
  • Ein Herz kann als Symbol für Liebe fungieren
  • Eine Taube als Symbol für Frieden
  • Ein Spiegel als Symbol der Eitelkeit
Was ist Kreativität?
Symbol für einen Einfall oder »hellen Moment«

Merke: Jedes Zeichen kann ikonischen, indexikalische und symbolische Aspekte in sich vereinen. Ein einzelnes Zeichen kann also sowohl Ikon als auch Index sein. An dieser Stelle sei nochmal an die Ambiguitätstoleranz erinnert. Immerhin können wir durch die Kenntnis dessen, was mit Ikon, Index und Symbol gemeint ist, etwas Klarheit schaffen.


Übungen: Wann ist ein Zeichen ein Ikon, wann ein Symbol?

…oder gar ein Index? Schreibe deine Antworten dazu gerne in die Kommentare. Hier nur zwei Übungsfragen samt kurzer Erläuterungen.

Was bedeuten die Haifischzähne auf der Straße?

Das Zeichen 342 lässt aufgrund einer entfernten Ähnlichkeit an »Haifischzähne« denken und wird umgangssprachlich so genannt. Welche Zeichenarten kommen diesem Verkehrszeichen in welcher Hinsicht zu?

Das Noahreyli-Zeichen aus Fortnite

Mit dem »Noahreyli-Zeichen« ist dieses hier gemeint: ӝ – zumindest im Zusammenhang mit dem Spiel Fortnite. Doch welche Bedeutung hat es noch? Und welche Zeichenarten lassen sich dieser kleinen Krone zuschreiben?

Tipp: Weitere Ikon-Index-Symbol-Übungen samt Lösungen finden sich in diesem PDF von Dr. Jürgen Spitzmüller.

Die Unterscheidung Ikon, Index und Symbol geht auf den amerikanischen Gelehrten Charles Sanders Peirce zurück und gilt als sein vielleicht berühmtester Beitrag zur Zeichentheorie – abgesehen davon, dass er die Zeichentheorie als wissenschaftliche Disziplin (die Semiotik) im 19. Jahrhundert praktisch überhaupt erst begründet hat.

Fragen und Feedback wie immer gerne in die Kommentare. Viel Erfolg beim Lernen!

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