Moana / Vaiana

Inspiriert von der Mythologie der Māori und mit der Mission, dieser ein Denkmal zu schaffen, entstand der Animationsfilm Vaiana. Benannt ist das Werk nach seiner Heldin – einer 16-jährigen Häuptlingstochter, die sich aufmacht, ihr Volk zu retten. Dazu rekrutiert sie den Halbgott Maui. Vaiana kam im November 2016 in die amerikanischen Kinos und war 2017 für zwei Oscars nominiert, als Bester Animationsfilm und für den Song How Far I’ll Go, geschrieben und komponiert von Lin-Manuel Miranda (Hamilton).1

Schauplatz und Handlung

Wir begeben uns nach Polynesien – eine Inselregion im Pazifik, die Neuseeland im Westen bis Hawai’i und der Osterinsel im Osten reicht. Obwohl diese Region über 1.000 Inseln umfasst, spielt Vaiana auf keiner davon – sondern auf der fiktiven Insel Motunui. Auf dieser findet sich ein buntes Gemisch aus verschiedenen Aspekten polynesischer Kulturen.2

Motunui ragt als saftig grüner Hügel aus dem weiten Meer. Ein kleines Paradies auf Erden. Hier wächst Vaiana auf (Stimme im Original: Auliʻi Cravalho). Sie ist die Tochter des Stammeshäuptlings und dazu bestimmt, dessen Nachfolge anzutreten. Vaiana verspürt jedoch seltsames ein Fernweh. Sie fühlt sich zum Meer hingezogen – zur großen Sorge ihres Vaters, der Angst vor der See hat. Allein Vaianas Großmutter ermutigt das Mädchen, ihrer inneren Stimme zu folgen. Als eines Tages die Heimatinsel durch eine finstere Macht bedroht wird, bricht Vaiana auf, das Unheil zu bekämpfen. Dazu muss sie Maui (Dwayne »The Rock« Johnson) finden, den Halbgott, der für diese Finsternis verantwortlich ist.

Trailer zu Vaiana

Cuteness und Kulturdenkmal

Nach einer kunstvollen Exposition, in der die Legende des Halbgottes Maui erzählt wird, gibt’s zum Auftakt des Films erstmal einen Cuteness-Overkill: Die Prinzessin als süßes Kleinkind hilft einer ebenso süßen Babyschildkröte über den Strand. Dazu kommt noch das Schweinchen Pua und voilà – jetzt hätten diese Drei eigentlich 100 Minuten lang tanzen können und der Film wäre in den Kritiken immer noch mit einem Awww!-Rating davongekommen. Doch der Film Vaiana hat viel mehr zu bieten, als nur putzige Momente.

Das Mädchen Vaiana wächst heran zu einer (mit Sonias Worten) »sowas von liebenswerten« Heldin heran, die mit Witz und Charme schon ganz ohne Abenteuer ein Erlebnis ist. Hinzukommt die Stimme von Auliʻi Cravalho (geb. 2000 in Kohala, Hawai‘i), die Vaiana in den vielen Gesangseinlagen eine beeindruckende Kraft verleiht. Doch die Songs in Vaiana sind nicht nur aufgrund starker Stimmen – sondern auch, oder insbesondere wegen ihrer Texte. In dem Musikstück You’re Welcome etwa, da werden in rappender Lässigkeit ein paar Elemente aus der polynesischen Mythologie in drei grandiosen Strophen verdichtet.3 Das Ergebnis ist ein Lied, mit dem Halbgott Maui – nicht gerade bescheiden – seine eigenen Taten besingt. Hier im Original zu sehen.

Szene · Maui singt You’re Welcome

Wie immer finden sich auch Gegenstimmen. In diesem Fall solche, die den Umgang mit der polynesischen Kultur seitens der amerikanischen Filmindustrie problematisch finden:

Laut Tēvita O. Ka’ili (ein tongaischer Kulturanthropologe) basiere die Kultur auf Dualismen. Das Gegenstück zum Gott Maui, der zweiten Hauptrolle, sei die heroische Göttin Hina und keine kleine Prinzessin namens Vaiana. Die »Disneyfizierung« polynesischer Sagen finde in dieser Asymmetrie Ausdruck und sei ein kolonialer Akt, in dem kulturelle Narrative und Symbole ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt und simplifiziert würden.

Nora Belghaus (taz)

Darauf würde ich erwidern: Hier liegt keine »Disneyfizierung« vor, sondern schlicht eine Adaption von einem medialen Format ins andere, mit notwendigen dramaturgischen Verdichtungen und – ja – Vereinfachungen. Das Drehbuch zu Vaiana schrieb in seiner ursprünglichen Fassung übrigens der neuseeländische Filmemacher Taika Waititi (5 Zimmer Küche Sarg), der für seinen Spielfilm Jojo Rabbit im Jahr 2020 mit dem Oscar für das Beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet wurde.

Disney und die Erwartungshaltung

In Vaiana geht es darum, sich selbst kennen zu lernen und treu zu sein – eine Botschaft, von der wir uns wünschen, »unsere Kinder mögen sie hören«, wie Filmkritiker Steve Rose so schönt schreibt. Er lobt Vaiana für seine Vermittlung »von altem Volkswissen mit digitalen Mitteln«, doch kommt zu dem Schluss:

Disney hat in letzter Zeit die Messlatte sehr hochgelegt. Frozen (2013) trotzt seiner märchenhaften Vorlage, indem er sich auf die Schwesternschaft konzentrierte. Big Hero 6 (2015) schaffte eine clevere trans-pazifische Kulturfusion. Und der exzellente Zootopia (2016) war sowohl eine bissige, originelle Komödie als auch ein Leitfaden in Sachen Identitätspolitik. Vaiana erreicht diese Höhen nie ganz.

Steve Rose (The Guardian)

Steve Rose hat recht. Disney schraubt die Erwartungen seit Jahren kontinuerlich nach oben. Doch ich widerspreche dem Kritiker trotzdem: Vaiana spielt für mich nicht nur in Sachen Unterhaltungs- und Schauwert in einer Liga mit dem legendär erfolgreichen Die Eiskönigin – Völlig unverfroren (im Original: Frozen), sondern auch was das Aufbrechen vereister Rollen-Klischees angeht. Während der Halbgott Maui im Film eher als riesiger Sidekick agiert, muss Vaiana so ziemlich alles Wichtige selbst erledigen. Und nicht etwa sorgt eine Romanze zwischen dem Halbgott und der Prinzessin für die emotionalen Augenblicke. Stattdessen ist es Vaianas Großmutter, die uns Gänsehaut-Momente beschert.

Darin bleibt sich Disney treu: Die Geschichte bringt Generationen zusammen. So lohnt sich denn der Film auch mal wieder (oh, welch abgelutschte Formel…) »für die ganze Familie«. Nun, bloß weil das ältere Publikum auch seine Freude an Vaiana haben kann, bleibt’s ein Kinderfilm – und wurde deshalb im europäischen Raum auch umbenannt.

Warum ist Moana auf Deutsch Vaiana?

Im US-amerikanischen Original heißt Vaiana – sowohl der Film als auch die Heldin – stattdessen Moana. Da es in Europa jedoch bereits eine Miniserie mit diesem Titel Moana gibt, wurde der Kinderfilm unbenannt. Denn besagte Miniserie erzählt das Leben der jung verstorbenen Schauspielerin Moana Pozzi, bekannt für ihre Rollen in Erwachsenenfilmen (die ausdrücklich nicht für die ganze Familie gedacht sind).

Fazit und Ausblick

Kurzum: Fantastischer Film, absolut sehenswert. Besonders gefällt mir die Detailliebe, mit der die kreativen Köpfe hinter diesem Werk die Kultur der Māori, etwa durch den amüsanten Einsatz von Tattoos, in das Universum ihrer Animationswelten aufgenommen haben. Technisch ist die Animation – Haare, Sand, Wasser, wow! – durchweg zum Staunen.

Tipp: Wer an einem Realfilm über die Kultur der Māori interessiert ist – mit einer Häuptlings-Tochter, die weniger Anerkennung erfährt, als Vaiana – sollte sich Whale Rider (2000) von Niki Caro ansehen.

Fortsetzung · Vaiana 2

Eine mögliche Fortsetzung zu Vaiana hat Disney bis dato weder bestätigt noch dementiert. Vielversprechend ist, dass Musik-Mastermind Lin-Manuel Miranda zumindest der Gerüchteküche nach längst in ein weiteres Disney-Projekt involviert ist. Ob es sich dabei um Vaiana 2 handelt, oder ein Animationsfilm rund um eine andere »Latina Princess« – oder gar beides! – das bleibt leider noch abzuwarten. Nach Frozen 2 wäre es jedenfalls höchst unwahrscheinlich, wenn Disney nicht auch dem Erfolgsfilm Vaiana eine Fortsetzung bescherte.

Fragenrunde zu Vaiana

Wer spricht und singt Vaiana? · Wer synchronisiert Vaiana?

Im Original wird Vaiana (bzw. Moana) wie gesagt von Auliʻi Cravalho gesungen. Das ist eine US-amerikanische Schauspielerin, die noch zur Schule ging, als Disney gerade eine Stimme für seine neue Filmheldin suchte. Cravalho, die zur Zeit des Castings gerade 14 Jahre alt war, bewarb sich gar nicht selbst für den Part – sondern wurde von einem Agenten entdeckt. Hier geht’s zu einem People-Interview mit Auliʻi Cravalho (auf Englisch).

In der deutschen Fassung verleiht wie erwähnt der Sänger Andreas Bourani dem Halbgott Maui seine Stimme. Doch wer synchronisiert die Hauptfigur? Genau genommen hat Vaiana gleich mehrere deutsche Stimmen. Als Kleinkind wird sie von Lia Jung gesungen und als junge Vaiana von Joelle Jung. Doch maßgeblich sind es Lina Larissa Strahl, die Vaiana in allen Dialogen synchronisiert, und Debby van Dooren, die Vaianas Gesangseinlagen übernimmt.

Was bedeutet der Name Vaiana?

Vaiana ist hierzulande ein seltener Name. Von 2006 bis 2018 wurde er nur rund 90 Mal als erster Vorname vergeben.4 Der Name ist hawaiianischer Herkunft. Die Silbe »vai« (bzw. »wai«) bedeutet »Wasser«, womit sich der Vorname Vaiana als »das Mädchen aus dem Wasser« übersetzen lässt.

Fußnoten

  1. Leider räumte Vaiana keine der Trophäen ab. Als Bester Animationsfilm wurde 2017 der ebenfalls wundervolle Zoomania ausgezeichnet. Den Oscar für den Besten Filmsong bekam City of Stars aus dem Musical La La Land.
  2. Vgl. Ellen C. Caldwell: The Polynesian Origin Myths Behind Disney’s Moana.
  3. Geschrieben wurde auch dieser Song von Lin-Manuel Miranda, der auf der Website Genius höchstpersönlich ein paar Passagen seines Songs erklärt. Im Deutschen heißt der Song Voll gerne, gesungen von Andreas Bourani, der Maui hierzulande auch synchronisierte.
  4. Vgl. beliebte-vornamen.de

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