Matrjoschka / Russian Doll

Matrjoschka (nicht: Matroschka) ist eine überwiegend komische Drama-Serie, die am 1. Februar 2019 auf Netflix veröffentlicht wurde. Sie handelt von zwei Menschen in New York City, die in einer Zeitschleife gefangen sind. Der Cast umfasst unter anderem Greta Lee, Yul Vazquez, Charlie Barnett und Elizabeth Ashley, sowie – in der Hauptrolle – Natasha Lyonne (Nicky aus Orange Is the New Black). Die Dreharbeiten zu Staffel 2 mussten aufgrund der Coronakrise verschoben werden.

Hinweis: Wie Vox vollkommen zurecht schreibt: Matrjoschka ist eine Serie über die du eigentlich nichts wissen solltest, abgesehen davon, wie gut sie ist! Falls du trotzdem weiterlesen willst, Warnung vorweg: Der Absatz Erklärung zum Ende enthält Spoiler zum Staffelfinale. Ich werde die Warnung rechtzeitig wiederholen. Trotzdem: Hier geht’s zum Stream. Enjoy!

Worum geht’s in Matrjoschka?

Eine junge Frau namens Nadia Volvokov feiert ihren 36. Geburtstag in der großen, kunstvollen Wohnung einer Freundin. Sie raucht einen Joint, sie lässt sich auf einen Typen ein, sie nimmt ihn mit zu sich nach Hause… und noch in derselben Nacht macht Nadia sich auf die Suche nach ihrer vermissten Katze. Dabei wird sie plötzlich von einem Taxi erfasst und stirbt – erwacht jedoch sogleich wieder auf der Party in jener Wohnung ihrer Freundin. Nur wenige Tode später hat Nadia begriffen: Sie ist in einer Zeitschleife gefangen – doch so seltsam dieses Schicksal auch wirkt, allein ist sie damit nicht.

Trailer zu Matroschka:

OriginaltitelRussian Doll
OriginalspracheEnglisch
FormatSerie · 1 Staffel, 8 Episoden, je 24-30 Minuten
GenreDrama
ThemenDrogen, Zeit
Veröffentlichung1. Februar 2019
VerfügbarkeitNetflix
FSK–––
Altersempfehlung vom Bleiben14 Jahre

Aber ja doch, der Vergleich von Matrjoschka zu Und täglich grüßt das Murmeltier (1993) liegt nahe – sehr sogar.

Bloß, dass Natasha Lyonne als Nadia nicht wie Bill Murray (Isle Of Dogs) allmorgendlich zu dem Song I Got You Babe (1965) erwacht, sondern allabendlich zu Harry Nilssons Gotta Get Up (1971). Ziemlich passend, für die Zeitschleifen-Thematik.

We used to carry on and drink and do the rock and roll / We never thought we’d get older / We never thought it’d grow cold, but now

Lyrics zu Gotta Get Up

Zeitschleifen und Russische Puppen

Den Vergleich zum Murmeltier – ebenso wie zu anderen Zeitschleife-Filmen wie Happy Deathday (2017) und Edge of Tomorrow (2014) – ich ergänze: Naked aus dem Jahr 2017 – hat schon Fabian Soethof (Musikexpress) gezogen, der die »sehr okaye Comedy mit fantastischem Soundtrack« vom Titel her zu interpretieren versucht.

Russische Puppen sind die, wo in einer Puppe die nächste und darin wieder die nächste steckt – bis man irgendwann bei der eigentlichen/letzten angekommen ist. Und so ist wohl auch Matrjoschka zu deuten: Nadia ist eine solche Puppe, und in den acht Folgen beobachten wir sie dabei, wie sie sich selbst aushebt.

Fabian Soethof (Musikexpress)

Eine interessante Interpretation liefert Anne O. Nemas (Bust), die in Matrjoschka eine Serie über Drogenentzug sieht. In jedem Suchthilfe-Programm heiße es, schreibt sie, die Definition von Wahnsinn bestehe darin, »dass man dasselbe immer und immer wieder tut und andere Ergebnisse erwartet.« Wer etwa dem Alkohol verfallen sei, könne keine Besserung erwarten, wenn nicht der entschiedene Schritt zum Entzug gegangen werde.

Du kannst versuchen, deine Sucht zu kontrollieren (…) oder andere Dinge in deinem Leben ändern. In eine Bar gehen. Nur Bier oder Wein oder keinen harten Alkohol trinken. Doch am Ende wirst du immer an genau demselben Ort enden, den du vermeiden wolltest. (…) Dein Leben hat sich deiner Kontrolle entzogen, und solange du nicht erkennst, dass du deiner Sucht gegenüber machtlos bist, dass keine kleine Lebens-Veränderungen das Problem weniger gefährlich machen – solange wird sich nichts ändern.

Anne O. Nemas (Bust)

Der erste Schritt sei, die eigene Machtlosigkeit zuzugeben. Genau darum gehe es auch in Matrjoschka, so Nemas in ihrem Artikel Du wirst »Matrjoschka« nie verstehen, solange du nicht die 12 Schritte verstehst. (hier zu lesen, englischsprachig)

Matrjoschkas Mindfuck-Momente

Anders als große Ensemble-Serien wie Game of Thrones oder (ok, etwas kleiner) Tote Mädchen lügen nicht behält Matrjoschka einen klaren (eben noch kleineren) Fokus. Zunächst allein auf die Hauptfigur Nadia – ab Episode 4 dann auch auf Alan, der ein ähnliches Schicksal teilt. Gespielt wird er von Charlie Barnett (ebenfalls bekannt aus OINTB), der eine starke Performance hinlegt, ganz auf Augenhöhe zur großartigen Natasha Lyonne. Die beiden Hauptrollen tragen die Serie Matrjoschka, die vom Komischen zunehmend in Tragische abdriftet, bis sich zum wortwörtlich festlichen Finale hin die Mindfuck-Momente verdichten.

Ein besonderer Reiz in Zeitschleifen liegt darin, dieselben Figuren von Matrjoschka in ähnlichen Szenarien unterschiedlich agieren zu sehen. Das betrifft nicht nur die beiden zentralen Protagonisten, sondern auch die vielen, interessanten Nebenfiguren. Auf diese Weise lernen wir »Durchlauf für Durchlauf« mehr über die Menschen ringsum (und die Menschen selbst lernen ihrerseits Neues: »Ich habe eine Feuerleiter!?«).

Weitere Filme und Serien mit Natasha Lyonne auf Blu-ray und/oder DVD sind hier erhältlich:

Erklärung zum Ende von Matrjoschka (Spoiler!)

Dieser Absatz enthält Spoiler. Zum Vermeiden einfach weiter scrollen, zum Fazit. Nun denn, was hat es mit der seltsamen Parade im Finale auf sich? Nachdem die beiden in der letzten Episode meisterhaft parallel erzählten, separaten Timelines (»life is like a box of timelines«) zum Ende hin endlich zusammenlaufen, tauchen Alan und Nadia in eine Parade kostümierter Menschen ab. Wer aufmerksam ist (na ja, ein bisschen, es ist recht auffällig), wird zwei weitere Nadias in der Parade sichten. Diese beiden Nadias deuten an, dass noch weitere Zeitachsen, Timelines existieren – »wie sie selbst vermutet hat, gibt es viele verschachtelte Wiederholungen von Nadia, und am Ende akzeptiert sie nicht nur die kindliche Version ihrer selbst, sondern auch jede andere Person/Version, die sie dazwischen gewesen ist.« Diese Erklärung zum Ende von Matrjoschka breitet Kathryn VanArendok (Vulture) noch detaillierter aus, in ihrem Artikel über das Staffelfinale (englischsprachig).

Fazit zu Matrjoschka · Update zu Staffel 2

Wer Nicky aus Orange Is the New Black liebt (wie könntest du nicht!?!) wird an Nadia in Matrjoschka große Freude haben. Sie liefert denselben pointierten, trockenen, bösen Humor mit dieser einzigartig rauchigen Stimme von Natasha Lyonne. (Dazu lohnt es sich, die Serie im Originalton zu schauen.) Matrjoschka liefert viel Raum für Interpretationen, ohne dabei beliebig oder undurchdacht zu wirken. Im Gegenteil: Hier werden die Themen Zeit und moralisches Handeln auf eindrucksvolle und spannende Weise behandelt.

Was haben Zeit und Moral gemeinsam? Relativität!

Nadia Volvokov, in: Matrjoschka

Matroschka 2

Bestenfalls im Laufe des Jahres 2021 wird Staffel 2 endlich veröffentlicht. Bereits am 11. Juni 2019 verkündete Netflix, dass es eine zweite Staffel geben werde (Variety berichtete). Im Juli 2019 sprach Natasha Lyonne (im Deadline-Interview) – noch recht vage –über die Fortsetzung. Doch im März 2020 mussten die Dreharbeiten zur Staffel 2 von Matrjoschka dann erstmal verschoben werden, wegen Corona. Welch Ironie… fühlen sich doch seit Beginn der Coronakrise viel zu viele Tage immer wieder gleich an – wir sind alle gefangen im Loop! Na, das zeichne gute Geschichten ja aus, schreibt Massute: Bezugsfähigkeit. Die in Matrjoschka dargestellten Routinen ließen sich, Krise hin oder her, auch als »generelle Analogie auf das Leben lesen.«

Denn die allermeiste Zeit versteckt man hinter den eigenen Lebensroutinen ja existenzielle Fragen und sieht sich, hoffentlich, eher selten mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Alan und Nadia werden jedoch erst handlungsfähig, als ihnen Letzteres widerfährt, und irgendwie verlieren sie dabei auch nicht ihren Humor. Vielleicht eine etwas kitschige, aber definitiv produktive Lesart.

Susanne Massute (Das Filter)

Zum heiteren Abschluss, ein kleines Best of Quotes aus Staffel 1. Geschrieben wurde die Serie übrigens von Amy Poehler (!!!), Leslye Headland (Sleeping with Other People) und Natasha Lyonne selbst.

Zitate aus Matrjoschka (Russian Doll)

I don’t know what I’m doing. I was gonna go home and fuck this guy, but now I just feel so profoundly empty.

Nadia Volvokov (Natasha Lyonne)

Fun is for suckers. Staring down the barrel of my own morality always beats fun.

nadia volvokov (natasha lyonne)

This is not good or bad. It’s just a bug. It’s like if a program keeps crashing, you know? The crashing is just a symptom of a bug in the code. If the deaths are us crashing, then that moment is the bug that we need to go and fix.

nadia volvokov (natasha lyonne)

It’s my bad attitude that keeps me going.

nadia volvokov (natasha lyonne)

Sexualizing self-hatred is the hallmark of any relationship.

nadia volvokov (natasha lyonne)

You are serial-killer calm.

Farran (Ritesh Rajan)

Humanity…a little bit overrated, no?

nadia volvokov (natasha lyonne)

The universe is trying to fuck with me. And I refuse to engage.

nadia volvokov (natasha lyonne)

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