Der Fotograf von Mauthausen

Der Fotograf von Mauthausen ist ein biografisches Spielfilm-Drama der spanischen Regisseurin und Produzentin Mar Targarona (Das Waisenhaus). Es erzählt die wahre, doch weitgehend unbekannte Geschichte von Francisco Boix (*1920), einem republikanischen Front-Fotografen im Spanischen Bürgerkrieg. Nach seiner Gefangennahme musste er als Lagerhäftling im KZ Mauthausen für den SS-Erkennungsdienst arbeiten. Von 1941 bis 1945 war er dort inhaftiert. Bei den Dachauer und den Nürnberger Prozessen lieferten Bilder, die er aus dem KZ schmuggeln konnte, entscheidendes Beweismaterial.

Der Fotograf von Mauthausen | Handlung

Mehr als 7.000 Spanier durchquerten das Tor von Mauthausen. Mit dieser Zeile beginnt der Film über Francisco Boix, der einer dieser Spanier ist (gespielt von Mario Casas, der für die Rolle laut Europa FM 12 Kilo abnahm). Vom siegreichen Franco-Regime in der Heimat wird ihnen die Staatsangehörigkeit entzogen. Fortan sind sie ganz der Willkür der Nazis unterworfen. Da Boix zufällig Fotograf ist und solche im KZ Mauthausen gebraucht werden, beginnt er für den Erkennungsdienst zu arbeiten, unter SS-Hauptscharführer Paul Ricken (Richard van Weyden). Dessen perfide Leidenschaft für die Fotografie im Konzentrationslager sieht Boix bald als Möglichkeit, Beweismaterial von den Grausamkeiten in Mauthausen zu sichern – indem er Negative versteckt und aus dem Lager schmuggelt. Davon erzählt das KZ-Drama Der Fotograf von Mauthausen.

OriginaltitelEl Fotógrafo de Mauthausen
OriginalspracheSpanisch
FormatSpielfilm · 110 Minuten
GenreDrama, Historienfilm
ThemenHolocaust, NS-Geschichte, Menschlichkeit
Veröffentlichung26. Oktober 2018
Verfügbarkeit Seit Februar 2019 via Netflix zu sehen (weitere Streaming-Optionen)
FSK/
Altersempfehlung14 Jahre

Heimkino: Gesichtet wurde der Film Der Fotograf von Mauthausen auf einem Beamer des Modells BenQ (hier erhältlich) sowie einer Jago-Beamerleinwand (hier erhältlich).

Der Wirklichkeit nahekommen

Allein im KZ Mauthausen, dem größten Konzentrationslager auf österreichischem Gebiet, kamen über 100.000 Menschen ums Leben. Das heißt: etwa die Hälfte aller Inhaftierten. Viele starben noch nach ihrer Befreiung an den Folgen der Gefangenschaft. So schließlich auch der Fotograf von Mauthausen, Francisco Boix, 1951 im Alter von gerade mal 30 Jahren. Zuvor trat er als Zeuge im Mauthausen-Hauptprozess auf, infolge dessen 58 Todesurteile gegen NS-Verbrecher ausgesprochen wurde. Neben den Zeugenaussagen waren es unter anderem die von Boix sichergestellten Fotografien, die im Prozess als Beweismittel dienten.

Bekannter KZ-Drehort

Auf Grundlage dieser Bilder inszenierte Mar Targarona nun das Spielfilmdrama Der Fotograf von Mauthausen. Viele Szenen daraus sind um konkrete Aufnahmen herum erzählt. Deren möglichst wirklichkeitsgetreue Entstehung lag der Regisseurin sichtlich am Herzen. Aber »die Wirklichkeit existiert nicht«, wie SS-Hauptscharführer dem jungen Francisco Boix – den er »Franz« nennt – im Fotolabor des Konzentrationslagers anvertraut, »alles hängt nur vom Blickwinkel ab.« Mit dieser Wahrheit im Hinterkopf lässt sich dennoch Mühe geben, der Wirklichkeit wenigstens nahe zu kommen. Das gelingt Mar Targarona und ihrem Team durch eine detailtreue Ausstattung, insbesondere in den Baracken. Gedreht wurde Der Fotograf von Mauthausen übrigens in Budapest. Und zwar in derselben KZ-Kulisse, die schon in den Literaturverfilmungen Fateless – Roman eines Schicksallosen (2005) und Der Junge im gestreiften Pyjama (2008) zum Einsatz kam.

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Kein Wikipedia-Beitrag, aber DVD, Graphic Novel & PDF

Bis dato (Januar 2021) gibt es noch keinen deutschsprachigen Wikipedia- oder IMDb-Beitrag zu dem Film Der Fotograf von Mauthausen. Nicht einmal ein deutschsprachiger Trailer ist zu finden. Übersetzt wurde bereits der gleichnamige Graphic Novel von Salva Rubio, Pedro J. Colombo und Aintzane Landa. Ebenfalls erschienen ist, als Sonderband der Mauthausen-Studien und lange vor dem Film, das Buch Francisco Boix, der Fotograf von Mauthausen von Benito Bermejo (derzeit leider nicht mehr erhältlich). Lesenswert ist außerdem ein Beitrag von Stephan Matyus über Francisco Boix und die »Rettung des fotografischen Gedächtnisses von Mauthausen« (hier als PDF verfügbar).

Tipp: Der Fotograf von Mauthausen ist als Graphic Novel ist hier erhältlich, die DVD (als spanischer Import) ist hier erhältlich.

Trailer zu Der Fotograf von Mauthausen (englisch)

Der Glaube an einer »Danach«

Mit einer bewussten und sorgfältigen Bildsprache unterstreicht Kameramann von Der Fotograf von Mauthausen, Aitor Mantxola, in den Nahaufnahmen das Machtverhältnis zwischen den Kriegsgefangenen und den NS-Verbrechern. Zu letzteren schaut die Kamera meist hinauf. Insbesondere eine quälend lange Einstellung, in der alle Insassen an einem hingerichteten Kameraden vorbeigehen und die Leiche betrachten müssen, entfalten in ihrer ruhigen Führungen eine beunruhigende Kraft.

Mar Targarona konzentriert sich in Der Fotograf von Mauthausen auf wenige (überwiegend spanische) Einzelschicksale im Kreise ihrer Hauptfigur Francisco Boix. Der spielt seine Rolle mit großer emotionaler Wucht. Immerzu mit einem tief verankerten Optimismus, einem Glauben an ein »Danach«, durchlebt er die unerträglichsten Situationen. Auch der junge Adrià Salazar (bisher nur im spanischen Fernsehen zu sehen) zeigt sich als vielversprechendes Nachwuchstalent. Macarena Gómez spielt eine Insassin, die im Lager-Bordell sexuell ausgebeutet wird, mit niederschmetternder Resignation.

Auf deutscher Seite hingegen ist das Casting zu Der Fotograf von Mauthausen nicht ganz so glücklich: Das Spiel der Kapos und Nazis wirkt zuweilen noch steifer, als es die Uniformen vielleicht gebieten. Insbesondere eine zentrale Anekdote (Stichwort: Todesstiege), die in einer eigentlich starken Parallelmontage in einem Gewaltakt mündet, der an American History X (1998) erinnert, kommt leider regelrecht aufgesagt daher. Doch das macht das Gesamtwerk nicht weniger sehenswert.

Tipp: Ein essentielles Werk zur Aufarbeitung des Holocaust ist die Dokumentation Shoah (1985) von Claude Lanzmann.

Fazit zu Der Fotograf von Mauthausen

Alles in allem überzeugt Der Fotograf von Mauthausen mit einem scharfen Blick für Momente der Menschlichkeit im allgegenwärtigen Grauen. Es geht Mar Targarona nie darum, Kulisse und Thema für ein emotionales Filmerlebnis zu instrumentalisieren, sondern zu zeigen, wie es eigentlich gewesen sei. Wirklichkeit bleibt eine Frage des Blickwinkels, wobei auch die Inszenierung von Fotoaufnahmen durch Hauptscharführer Ricken thematisiert werden. Von aller visuellen Betrachtung abgesehen, spricht das bloße Geschehen in manchen Szenen von Der Fotograf von Mauthausen indes für sich. Vieles würden wir nicht glauben wollen, wenn es davon keine Bilder gäbe – und ich wage gar nicht zu ahnen, welche Gräuel der NS-Zeit für immer im Dunkeln bleiben.

Im Juni 2017 wurden die Gebeine von Francisco Boix auf den größten Friedhof von Paris überführt, im Rahmen einer Bestattung »mit allen Ehren«. Mehr dazu in einem Artikel der spanischen Tageszeitung El País vom 18.06.2017 (hier zu lesen).

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