Feuerbachs Religionskritik

Dieser Beitrag behandelt Feuerbachs Projektionstheorie und seine Religionskritik. Ludwig Andreas Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik – etwa bei Stefan Grahamer: Der Glaube an Gott – Anfragen und Annäherungen, in: Abitur-Wissen. Prüfungswissen Religion, S. 79.

Außerdem war er der Vater der Schriftstellerin Eleonore Feuerbach, die später seinen schriftlichen Nachlass ordnete, sowie der Ehemann von Bertha Löw, die sein philosophisches Treiben finanzierte – und sein anderes Treiben duldete. Wenn auch sicher bitter enttäuscht – mehr dazu in dem Vortrag Ludwig Feuerbach und die Frauen von Joachim Goetz.

Nun, hier soll’s um seine Religionskritik gehen.

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Das Wesen des Christentums

Ludwig Feuerbach entfaltet seine Religionskritik maßgeblich in seinem Hauptwerk von 1841, mit dem Titel: Das Wesen des Christentums. Was hat ihn zu dieser Schrift motiviert und damit zu Feuerbachs Projektionstheorie geführt? Zwei Jahre vor ihrer Veröffentlichung stellt und beantwortet er in einem Brief an einen Freund folgende Frage:

Was ist der letzte Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit? Die Illusion der Theologie. Ich weiß das aus meinem eigenen früheren Leben, wo dieser Teufel in Engelsgestalt mich in seinen Krallen gehabt hat. […] Es ist unglaublich, welche Illusionen die arme Menschheit beherrschen, noch heute beherrschen, und wie uns die spekulative Philosophie in ihrer letzten Richtung, statt von diesen Illusionen befreit, nur darin bestärkt hat.

Ludwig Feuerbach: Gesammelte Werke, Bd. 17, S. 383. Zitiert nach: Andreas Arndt (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Klassiker Auslegen, Band 52, S. 3.

Dieser Briefabschnitt verrät uns drei Dinge, die wir uns mal im Einzelnen anschauen sollten.

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Ein neuer Zugang zur Religion

Erstens, dass Feuerbachs Kritik als SchlĂĽssel fĂĽr eine geistige und politische Befreiung gedacht und damit ganz lebenspraktisch motiviert war.

Zweitens, dass er seine Kritik sich gar nicht gegen die Religion an sich richtete, sondern gegen die Theologie – das heißt: die Lehre von Gott (auch wenn Feuerbach im Wesen des Christentums immer wieder von der »Religion« spricht).

Und drittens, dass die »spekulative Philosophie« – gemeint ist maßgeblich der einflussreiche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel – es versäumt hat, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie ordentlich zu ziehen. (Vgl. Andreas Arndt (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Klassiker Auslegen, Band 52, S. 3.)

Damit ist bereits die argumentative Linie des Wesens des Christentums skizziert; es geht in der Konsequenz darum, Philosophie und Theologie zu entmischen und dadurch einen neuen Zugang zum Phänomen der Religion zu gewinnen.

Andreas Arndt (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Klassiker Auslegen, Band 52, S. 3f.

Zur fachkundigen Auslegung von Ludwig Feuerbachs Werk Das Wesen des Christentums empfehle ich den entsprechenden Band aus der Reihe Klassiker Auslegen – eher an Studierende gerichtet, wohlgemerkt. Hier und jetzt halten wir uns an Schulbuchwissen, sozusagen.

Also, worin besteht hier die Religions- oder eben Theologie-Kritik? Im Kern läuft sie auf Feuerbachs Projektionstheorie hinaus.

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Feuerbachs Projektionstheorie | Kurzfassung

Eine Projektion ist das, was ein Beamer oder – wie der Name schon sagt – ein guter alter Projektor macht: Er wirft das vergrößerte Abbild eines Bildes an eine Wand oder Leinwand. Im übertragenen, psychologischen Sinne ist mit Projektion das gedankliche Heraufbeschwören einer Illusion oder Vorstellung (also ein Abbild) von eigenen Gefühlen, Sehnsüchten, Wünschen (als das ursprüngliche Bild) gemeint, auf eine wie auch immer geartete Projektionsfläche. Und Feuersbachs Theorie besagt nun, dass Gott eine solche Projektionsfläche ist, quasi die Wand, an die wir unsere Vorstellungen werfen. Wie ist das zu verstehen?

Der Mensch erfährt sich selbst als endliches, begrenztes und unvollkommenes Wesen. Seine Wünsche und Sehnsüchte an etwas Überzeitlichem und Größerem teilzuhaben, überträgt er auf ein göttliches Wesen. Dadurch versucht der Mensch, seine eigene Unvollkommenheit zu überwinden. Dass Gott als ewiges, vollkommenes, heiliges, allmächtiges und allwissendes Wesen erscheint, ist nach Feuerbach also kein Zufall, sondern ein Produkt des menschlichen Wunschdenkens.

Stefan Grahamer: Der Glaube an Gott – Anfragen und Annäherungen. In: Abitur-Wissen. Prüfungswissen Religion, S. 79.

Feuerbach selbst formulierte es in einer seiner Vorlesungen mal sehr prägnant wie folgt.

»Der Mensch schuf Gott…«

[N]icht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel heisst, sondern der Mensch schuf, wie ich im Wesen des Christenthums zeigte, Gott nach seinem Bilde. […] Jeder Gott ist ein Wesen der Einbildung, ein Bild, und zwar ein Bild des Menschen, aber ein Bild, das der Mensch ausser sich setzt und als ein selbständiges Wesen vorstellt.

Ludwig Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. Nebst Zusätzen und Anmerkungen. Leipzig: Verlag von Otto Wigand 1851, S. 241.

Ein Abbild also, dem all das zukommt, woran es mir mangelt. »Die Religion«, schreibt Feuerbach, »ist die Entzweiung des Menschen mit sich selbst.« Der Mensch setze sich Gott »als ein ihm entgegengesetztes Wesen gegenüber: Gott ist nicht, was der Mensch ist – der Mensch nicht, – was Gott ist.«

Als Beispiele führt er an: Gott sei unendlich, der Mensch ein endliches Wesen – Gott sei vollkommen, der Mensch unvollkommen – Gott heilig, der Mensch sündhaft – Gott allmächtig und allwissend und der Mensch… na ja, ist vielleicht mächtig altklug, aber eigentlich macht- und ahnungslos.

All die Sehnsüchte nach einem besseren, höheren Selbst – so Feuerbachs Projektionstheorie – die projizieren gottgläubige Menschen auf ein von ihnen losgelöstes Wesen als Fixpunkt für ihre scheinbar unerreichbaren Wunschvorstellungen.

Aber der Mensch vergegenständlicht in der Religion sein eigenes geheimes Wesen. Es muß also nachgewiesen werden, daß dieser Gegensatz, dieser Zwiespalt von Gott und Mensch […] ein Zwiespalt des Menschen mit seinem eigenen Wesen ist.

Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Erster Teil, drittes Kapitel.

Feuerbachs Religionskritik | Ziel und Fazit

Das Ziel von Feuerbachs Kritik besteht also darin, den Gottglauben als falsch zu entlarven. Er lenke bloß ab und führe in die Irre. Mögen wir Menschen stattdessen die Größe und Würde im eigenen Wesen, den Wert und das Potential unserer selbst entdecken – und damit auch den Glauben an und die Liebe zu uns und zueinander.

In diesem Sinne handelt es sich bei Feuerbachs Gedankengang um einen humanistischen Ansatz, der von einer erhabenen, menschlichen Natur ausgeht. Statt »Der Mensch ist ein Abbild Gottes« sollte es heißen: Der Mensch ist dem Menschen ein Gott. Siehe: Stefan Grahamer: Der Glaube an Gott – Anfragen und Annäherungen. In: Abitur-Wissen. Prüfungswissen Religion, S. 80.

Eine solche Religions- oder Theologiekritik scheint wie gemacht fĂĽr die Gegenwart, da wir Menschen mehr denn je an unserer SelbstĂĽberwindung arbeiten und gottgleiche Wesen zu werden scheinen.

An anderer Stelle wirkt Feuerbach nicht ganz so zeitgemäß. Zumindest dürften Forschende und Studierende auf dem Gebiet der Gender studies Einspruch erheben wollen, wenn er im Wesen des Christentums (erster Teil, zehntes Kapitel) etwa meint: »Der Geschlechtsunterschied ist kein oberflächlicher […]; er ist ein wesentlicher; er durchdringt Mark und Bein. Das Wesen des Mannes ist die Männlichkeit, das des Weibs die Weiblichkeit.«

Das sehe ich, geprägt von gegenwartsphilosophischen Strömungen, nicht so, und finde Feuerbach diesbezüglich arg überholt – aber das ist ein anderes Thema. Das war’s zur Religionskritik bei Ludwig Feuerbach.

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2 Gedanken zu „Feuerbachs Religionskritik“

  1. Hallo!
    Ich bin erschĂĽttert wie auĂźerordentlich schlecht dieser
    Artikel recherchiert wurde!!!
    Das habe ich gleich meinen Enkeln gezeigt, dieses Iternet ist echt nichts fĂĽr mich!

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