Was ist Kreativität?

Was kreative Menschen oder Werke sind, lässt sich an vielen Beispielen einfach zeigen. Aber was ist die antreibende Kraft dahinter? Was ist Kreativität? Wie lässt sie sich lernen und fördern? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt’s hier. Vorweg eine Definition!

Kreativität gilt als Eigenschaft oder Fähigkeit (skill), auf eine Weise tätig zu sein, die originelle Ideen und Dinge hervorbringt. Umstritten ist, ob es sich bei Kreativität um ein Bündel mehrerer Fähigkeiten (skillset) oder eher um eine Charaktereigenschaft oder Geisteshaltung (mindset) handelt.

Was definiert Kreativität?

Was Kreativität definiert bzw. wie sie definiert wird, hängt davon ab, wer es versucht. So liest sich eines Philosophen Definition von Kreativität möglichst allgemein: »Kreativität […] ist das Vermögen des menschlichen Geistes, einen freien, zweckbestimmten Gebrauch von Ideen zu machen« (Pape 1994).

Das antwortet – abstrakt wie immer – die Philosophie auf die Frage: Was ist Kreativität? Leicht erklärt für Kinder würde ich sagen:

Kreativität ist, wenn du eine Idee hast, etwa für ein Bild oder eine Geschichte, und die Idee umsetzt, also das Bild malst oder die Geschichte erzählst. Weil du einzigartig bist, wird das Ergebnis anders sein als alles, was es sonst gibt – und vielleicht sogar ganz neu! Das ist kreativ.

Soweit die Theorie. Je näher wir der Praxis kommen, desto konkreter hätten wir’s gern: Woraus besteht sie denn genau, die Kreativität?

Was gehört alles zu Kreativität?

Zu Kreativität gehört zweierlei: das Vermögen, traditionelle Denkmuster und Handlungsweisen aufbrechen bzw. überschreiten zu können, und der Wille, dies auch zu tun. Ohne den Schritt von der Idee zur Tat, zum kreativen Schaffen, bleibt es bei kreativem (divergentem) Denken.

Unter divergentem Denken versteht man Gedanken, die ungewöhnliche Wege einschlagen, neue Zusammenhänge schaffen und originelle Ideen hervorbringen. Das Gegenstück zum ideenorientierten, divergenten Denken (lat. divergere – auseinanderstreben) ist konvergentes, lösungsorientiertes Denken.

Konvergentes Denken folgt rational-logischen Gedankengängen. Im Gegensatz zu divergentem Denken ist es systematisch und eignet sich dazu, aus divergent erdachten Ideen die auszuwählen, die unter gegebenen Umständen geeignet erscheinen. Die Unterscheidung dieser Denkarten stammt von J. P. Guilford.

Divergentes und konvergentes Denken · Beispiele

Beispiele für divergentes Denken ergeben sich durch bewusstes Brainstorming unter Berücksichtigung auch ungewöhnlichster Ideen. Ziel ist dabei, über naheliegende Einfälle hinauszugehen. Kreative Menschen machen das meist automatisch, doch es lässt sich auch bewusst üben.

Hier ein paar Übungen, die Beispiele für divergentes Denken hervorbringen sollten:

  • Wofür ließe sich ein Löffel zweckentfremden?
  • Wodurch ließe sich ein Notizblock verbessern?
  • Woran erinnert die Form des Buchstabens Z?
  • Wie passen »Affe« und »Akku« in einen Satz?
  • Welche Bildunterschrift passt du diesem Bild?
Schnecke auf Kinderhand, Übung zur Frage: Was ist Kreativität?

Schreibe deine divergent erdachten Ideen gerne in den Kommentarbereich!

Beispiele für konvergentes Denken finden sich im Berufsleben, aber auch in der Schule und Wissenschaft besonders häufig. In vielen Experimenten und Prüfungssituationen zum Beispiel kommt es auf konvergentes Denken an. Immer dann, wenn es um Auswahl und Logik geht.

Typische Beispiele, in denen konvergentes Denken zum Einsatz kommt:

  • Multiple-Choice-Aufgaben
  • Standardisierte Tests
  • Kosten-Nutzen-Analysen
  • Logische Herleitungen
  • Benotung und Bewertung

Was der Kreativität schadet, ist die Angst, Fehler zu machen. Daraus folgt oft Beschränkung im Denken bzw. Handeln. Kreatives Schaffen braucht beides: divergentes Denken zum Hervorbringen origineller Ideen und konvergentes Denken, um aus vielen Ideen welche auszuwählen und umzusetzen.

Wie entsteht Kreativität?

Kurzum: Kreativität entsteht und funktioniert durch das Wechselspiel aus divergentem und konvergentem Denken. Im Gehirn entsteht Kreativität durch das Interagieren verschiedener Regionen, die je nach Tätigkeit mehr oder weniger stark beansprucht werden.

Die Mischung macht’s also – und die Übung fördert es, das kreative Denken. Doch Denken findet bekanntlich im Kopf statt. Woran erkenne ich, welchen Menschen Kreativität innewohnt? Anders gefragt: Wie zeigt sich Kreativität in freier Wildbahn? Was zeichnet einen kreativen Menschen aus?

Welche Merkmale hat Kreativität?

Kreativität hat eine Vielzahl von Merkmalen. Einen kreativen Menschen zeichnet etwa aus, neugierig und offen für verrückte Vorschläge zu sein. Weitere wichtige Merkmale von Kreativität sind eine lebhafte Fantasie und der Mut, sie einzusetzen.

Eigenschaften oder Merkmale kreativer Menschen sind:

  • Flexibilität
  • Mut zum Regelbruch
  • Offenheit
  • Risikobereitschaft
  • Sicherheit im Geschmack
  • Spontaneität
  • Tatendrang

Tipp: Einen großartigen Geschmack zu haben, das gehört für einen Kreativen wie Andy J. Pizza sogar zum eigentlichen Geheimnis von Kreativität. Mehr darüber erzählt er in der empfehlenswerten, englischsprachigen YouTube-Serie Unmaking the Myth (2021), die kreative Mythen entlarvt.

Die Erforschung von Kreativität

Apropos Mythen! So deutlich die genannten Merkmale im Alltag in Erscheinung treten mögen, so schwierig ist es doch, Kreativität als Forschungsobjekt wirklich »zu fassen« zu kriegen. Hier mal vier Herangehensweisen, der sagenumwobenen Sache auf den Grund zu gehen.

Experiment. Wir nehmen an, dass es eine Reihe von erfassbaren Merkmalen gibt, die Kreativität auszeichnen. Grundannahme: Solche Merkmale wären in einer Person konstant, also einmal kreativ, immer kreativ, von Person zu Person aber unterschiedlich verteilt. Manche sind mehr, andere weniger kreativ.

Problem: Ist kreatives Schaffen unter Laborbedingungen vergleichbar mit dem in freier Wildbahn? Und welche Kriterien wenden wir für »kreative Leistungen« an? Das ist umstritten.

Introspektion. Kreativ tätige Menschen fragen und beantworten sich selbst, warum sie tun, was sie tun, wie’s angefangen hat und ob’s sie es auch sein lassen können?

Problem: Das ist ziemlich subjektiv.

Beobachtung. Wir studieren das Leben kreativer Menschen, betrachten ihre Werke oder beobachten ihr kreatives Schaffen live – und suchen dabei nach Mustern. Was ist es, welches alles Kreative gemein hat?

Problem: Die willkürliche Auswahl. Wessen Leben und Werk studieren wir denn? Frida Kahlo, Picasso und Co, oder die Mucke von Unbekannter Absender? Wer legt »Schöpfungshöhe« fest?

Austausch. Kreative Menschen treten in Dialog und fachsimpeln über das, was sie da machen, mal auf Meta-Ebene. Was treibt sie an? Welche Probleme beschäftigen sie? Wo kommen Ideen her?

Problem gibt’s da keins, aber einen Podcast auf Spotify: Schrott oder Schrein über kreatives Schaffen und Scheitern. Moderiert vom Autor und Musiker Benedikt Reuse (aka Unbekannter Absender) und mir (aka Unverschämter Schleichwerber).

Lässt sich Kreativität erlernen?

Vor einer Weile haben wir mein Elternhaus ausgeräumt, und im Zuge dessen auch meine letzten Zweifel. Seit ich alle Kisten meiner Kindheit überreicht bekam, um fortan selbst drauf aufzupassen, ist es mir klarer denn je: Kreativ sein, das gehört bei mir von klein auf dazu.

Das legt den Gedanken nahe, dass Kreativität genetisch veranlagt sei – angeboren wie Moralität (unser Empfinden für Gut und Böse) oder Sexualität (unsere Vorlieben für was auch immer). Oder ist Kreativität erlernbar, wie etwa Produktivität? Die Wahrheit liegt wohl dazwischen.

Kreativität ist eine Veranlagung, die zur Anwendung inneren Antriebs und äußerer Anleitung bedarf.

Ist jeder Mensch kreativ?

Es ist nicht jeder Mensch gleich kreativ, und es kann auch nicht jeder kreativ sein. Sobald wir Begriffe wie kreativ oder auch intelligent auf alle Menschen anwenden, hilft das vielleicht bei der Definition des Menschen. Aber bringt wenig bei unserem Verständnis von Kreativität oder Intelligenz.

Darauf weist auch Jordan Peterson in seiner Lektion über den »Fluch der Kreativität« hin – mit der Pointe, dass es ganz schön schwierig sei, mit kreativem Schaffen auch Kohle zu machen. Peterson, der aus politischer Überzeugung seinen Patreon-Account gekündigt hat, weiß gewiss, wovon er redet.

Randnotiz: Ich selbst bleibe bei Patreon, da ich es in Ordnung finde, dass die Plattform ihre Guidelines durchsetzt. Es ging darum, dass ein Patreon-Nutzer wegen der Verwendung des N-Worts auf YouTube von Patreon ausgeschlossen wurde.

Peterson sagt, zu behaupten, jeder Mensch sei kreativ, sei wie zu sagen, jeder sei extrovertiert. Ein guter Vergleich, wie ich finde.

Einerseits: Wer kreativ ist, weiß, dass es etwas Aufdringliches, ja etwas Triebhaftes hat. Da will etwas raus, will tätig sein… ich kann natürlich nur für mich sprechen. Kleines Beispiel für Introspektion. Andererseits: Wie kreativ wir sind, hängt wohl von unserem Umfeld ab. Kreativität lässt sich fördern oder flach halten.

Alltagskreativität und artistische Kreativität

Wenn davon die Rede ist, dass alle Menschen kreativ seien, ist damit Alltagskreativität gemeint (creativity mit kleinem c). Das ist die Art von Kreativität, die gewiss uns allen innewohnt – und vermutlich auch einigen Tierarten. Sie dient zur Lösung von Problemen oder bloß zur privaten Muße.

Doch wenn Menschen fragen, ob Kreativität erlernbar sei, geht es meist um Creativity mit großen C. Im Deutschen auch artistische Kreativität genannt. Damit ist im engsten Sinne das Erschaffen ganz großer Kunst gemeint. Im weitesten Sinne: Alle kreativen Werke, die auf Wirkung abzielen. Dazu können auch wissenschaftliche Arbeiten gezählt werden.

Artistische Kreativität ist kreatives Schaffen, das den Raum des Privaten verlässt, hier und jetzt anderen Menschen gefallen, helfen, nützen oder für die Nachwelt überdauern will.

Ist eine solche Kreativität erlernbar? Kurzgesagt: ja.

Kreativität geht Hand in Hand mit Produktivität. Beim einen geht’s unter anderem darum, originelle Werke von Wert, beim anderen darum, mehr davon in kürzerer Zeit zu erschaffen. Beides basiert auf einer Reihe von Gewohnheiten, die sich antrainieren lassen, learning by doing.

Auch ich wurde früh gefördert, das ist alles. Malkurse als Kind, Kunstschule als Jugendlicher. Jetzt, als Erwachsener, lerne ich durch Onlinekurse weiter (und gebe selbst welche, siehe hier).

Fazit: Um kreativ zu sein braucht es kein Talent, sondern Disziplin und Übung.

Was ist Kreativität für mich?

Für mich ist Kreativität eine Art, mit Situationen umzugehen. Angefangen hat es wohl mit der Situation, gelangweilt zu sein. Dagegen habe ich als Kind so viele kreative Mittel gefunden, dass Langeweile für mich kaum noch existiert. Seither ist Kreativität für mich wie eine Art Superkraft.

Was ist Kreativität für dich? Mich würde interessieren, wie du zum kreativen Schaffen stehst? Wie bist du hier gelandet, warum beschäftigt das Thema dich und konnte dieser Beitrag dir helfen? Feedback und Fragen wie immer gerne in die Kommentare!

Literatur

Helmut Pape (Hg.): Kreativität und Logik. Charles S. Peirce und das philosophische Problem des Neuen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994.

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